Schade eigentlich

Schon einige Zeit beschäftigt mich dieser Zwiespalt: einerseits sind so viele Menschen wie noch nie daran interessiert, spirituelle Erfahrungen zu machen, andererseits scheint es so, als liesse sich in den Kirchen nicht richtig „etwas daraus machen.“

„Können wir das nicht nutzen“ ist die heimlich gestellte, die leise geflüsterte, die irgendwie überzeugte Frage. Haben wir nicht auch etwas, was wir dreingeben können, auf den Markt werfen, womit wir in Konkurrenz gehen könnten und sind wir damit nicht viel besser als die anderen, eigentlich, weil wir von Religion mehr verstehen? Könnten die Menschen, die suchen und wir nicht gut zusammen passen?Jede, die diese Zeilen liest, sich ernsthaft nach Spiritualität sehnt und aus guten Gründen den verfassten Trägern der Religion skeptisch gegenüberseht, wird sich jetzt bereits über mich ärgern. Natürlich sind „wir in der Kirche“ schon lange nicht  mehr automatisch die, denen Wissen, Kraft der Tradition und mehr bezogen auf die Religion wirklich zugetraut werden. Soweit so schlecht.

Doch was ich eigentlich beschreiben wollte, ist meine eigene Frustration darüber, dass es für diese Klippe zwischen Bedürfnis und Angebot grundsätzlich keine Überwindung zu geben scheint. Je länger ich nun selbst Spiritualität lebe,  verstehe und lehre, um so mehr glaube ich, es liegt in der Sache selbst. Die alte Religion, kommend aus den grossen Erzählungen, genährt von Jahrhunderten der Hoffnung, Pflege und gemeinsamer Weiterentwicklung, versteht sich nicht auf Markt.

Sie besteht auf dem freien Bezug zwischen Gott und Mensch, auf der Freiheit der Beziehung zwischen Transzendenz und denen, die nach ihr suchen. Spiritualität ist darum in den Kirchen kein „Angebot“ sondern eher eine Ausdrucksform, etwas, was sowieso da ist, auch wenn es sich manchmal seeehr versteckt. Dass wir zu Gott in einer Beziehung leben und die sich immer wieder neu gestalten muss, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das lässt sich nicht gut in Kurse packen und schon gar nicht als etwas Besonderes vermarkten. Genau betrachtet ist das in kirchlichen Kreisen auch nicht deshalb so, weil wir uns Mühe geben, sondern weil Gott die Nähe zu seinen/ihren Menschen sucht. Diese Überzeugung hat uns sehr geprägt, und unsere christliche Spiritualität mit viel Selbstverständlichkeit ausgestattet. Damit lässt sich allerdings nur sehr schwer ein marktförmiges Angebot zeichnen, das auch noch mehr und anderes anbietet als andere. Eigentlich gibt es nämlich vor allem die Spiritualität bei uns umsonst. Sie ist ja da, wo Kirche ist. Das kann ich ja, wenn ich es bin, nicht auch noch verkaufen. Schade eigentlich. Oder?Bild

Eine Antwort auf „Schade eigentlich

  1. Ja, sehr schade. Sie haben das Dilemma übrigens sehr plausibel erklärt. Danke. Für mich ist mein Glaube etwas sehr Kostbares. Ich habe ihn durch meine Sozialisation in meiner Kirche kennengelernt. Ich registriere, dass er jetzt absolut out ist und gleichzeitig bemerke ich, dass Menschen spirituell verhungern. Ja, schade. Liebe Grüße, die Gärtnerin mit dem gruenen Daumen

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