In Zürich würde mit dem Erweiterungsbau des Kunsthauses begonnen. Endlich sagen viele, die schon lange darauf gewartet haben, dass dieser neue Teil des Kunsthauses entstehen kann, der dann ab 2020, wenn alles gut geht, die Sammlung Emil Bührle aufnehmen wird, die hier ihren Ort findet. Diese Entscheidung, dass hier gebaut wird, hat das Stimmvolk längst getroffen. Dennoch. Die Baustelle steht mir im Weg. Nicht, weil ich politisch jetzt doch noch, spät, über Nutzen und Ziel neuer alter Sammlungen nachdenke, wenn ich hier stehe. Nein. Eigentlich ist es das Schild bei der Baustelle. Nur wenige Stunden hing es. „Hier stirbt Stadtgeschichte“. Stimmt. Auf eine einfache Art. Bäume wurden gefällt. Alte Gebäude abgerissen.
Stimmt auch noch auf eine andere Art, und die bringt mich sehr zum Nachdenken: bevor hier der Entschluss gefasst wurde, Kunst in schöne Gebäude zu hängen, wurde hier, genau an diesem Ort Kunst gemacht. In alten Schulcontainern, in sehr vorläufigen Ateliers, in Zwischenvermietungen. Ich kannte eine, die hatte hier ihr Atelier. Und zog aus, als der Plan für den Bau konkret wurde.
Bald wird die Spur dieser Zwischennutzung ganz getilgt sein. Vollständig verschwunden, was hier war. Das macht mich nicht nur wehmütig und parteilich für die Kunst, die weichen musste. Die Räume waren zwar zugig und kaum zu Heizen. Dennoch.
Wie könnte man sich im Stadtraum erinnern an etwas, was weichen musste? Wäre denkbar, eine Spur zu lassen, mitten im Neuen,die das Alte nicht ganz tilgt? Einen Stadtraum zu gestalten, der nicht mehr „einheitlich“ ist, sondern Lage um Lage, Spur um Spur“ übereinander legt, was da war und ist, ohne das Alte zu verlieren? Mir scheint, bislang kommt erst dann etwas in die Stadterinnerung zurück, wenn es alt genug ist und ein Denkmal werden kann. Und vorher?
Mir würde schon reichen, im neuen Kunsthaus gäbe es ein Stück vom alten Holz und ein Stück Erinnerung an das, was vorher an diesem Ort war.
An der Geschichte Israels mit ihrem Gott hat mich schon immer fasziniert, dass sie in ihrer Logik rückwärts blickende Glaubende waren (und sind), die von heute an in die Vergangenheit zurück erzählen, was Zeitabschnitt für Zeitabschnitt für Erfahrungen mit Gott gemacht wurden, um daraus Vertrauen zu gewinnen für die Zukunft (in die sie nach ihrer Vorstellung auch rückwärts gehen). Ich würde gern etwas von dieser Wertschätzung dessen, was war, lernen und entdecken auch in meiner Stadt. Nicht, um es zu konservieren allein, sondern um den Weg der Herkunft auch unseres Lebens in Zürich zurückverfolgen zu können und damit Teil einer sichtbaren Geschichte zu sein. Das würde mir gefallen.
Ein Hinweis aus Baselland: Ein Kunstprojekt – „living memory“ – schafft lebendige Erinnerung für eine alte Papierfabrik in Zwingen BL, die mal der grösste Arbeitgeber der Region war. Und irgendwie Teil des Lebens der meisten Menschen in der Region: http://www.schlossvereinzwingen.ch/09_01.html
Wie du schreibst, Brigitte, Wertschätzung dessen was war, nicht nur, um den Weg bis hierher zurückverfolgen zu können. Sondern auch, um den Weg sinnvoll und gemeinsam weitergehen zu können.
Danke, dass du dich hast unterbrechen lassen.
Peter