Schön ist er ja nicht. Nicht auf den ersten, nicht auf den zweiten Blick. Eigen könnte man ihn nennen. Genauso wie die junge Frau auf violettem Hintergrund. Sie und noch einige mehr hängen seit einigen Wochen in meiner Gemeinde, der Johanneskirche in Zürich. Es sind Porträts von Menschen, wie sie tagtäglich am nahen Limmatplatz unterwegs sind. Es sind Leute aus dem Viertel, manche ganz originalgetreu in ihren Zügen, alle dennoch ein bisschen verfremdet. Jennifer Zimmermann hat, das war ihre Absicht, die Leute von draussen in die Kirche geholt. Schön sind sie nicht. Jedenfalls nicht auf die ersten beiden Blicke. Einige ärgern sich darum schon, dass sie immer noch da sind, mehrere Wochen nach einer Kunstausstellung.
An ihnen lerne ich gerade, wie langsam meine Augen sind. Beim dritten Betrachten erst sehe ich, dass mich diese Bilder immer anschauen. Egal wo ich sitze oder bin. Sie treten mit mir in Kontakt, was sie draussen am Limmatplatz selten tun oder nie. Sie fangen an, mich anzusehen, mit verkniffenen Mundwinkeln, müden Gesichtern, skeptischem Blick aber sie schauen. Ganz unverstellt kommen sie mir entgegen, reichlich echt, so wie Menschen sonst selten in der Kirche.
Langsam werden Sie mir zu den Leuten, mit denen ich gern einmal reden würde, die mir fehlen, wenn ich dort sitze. Und sie werden mir schön, schön, weil sie mir nahe gekommen sind. Ist Schönheit also zuerst eine Bedeutung, die ich dem gebe, was in mein Leben tritt?