überrascht

 

zu Psallm 27, in der Vesper in der Johanneskirche am 4. Juni 2019 mal so:

Es kann sein, dass sie jetzt schon ein bisschen genug haben. Von all dem vollmundigen Loben und Danken, das hier so tönt. Von diesem Lobpreis mit den vielen fremden Worten. Von diesen Klängen, die alle dasselbe verehren, einen Gott, eine Ewige, von der aus alles gut ist. Oder sind sie welche, denen das leicht fällt? Loben sie gerne?

Es kann auch sein, dass sie schon ein bisschen ahnen, dass ich dieses Loben grad in der Lesung des Psalms 27 auf die Spitze getrieben habe. Denn für einmal habe ich aus diesem alten Lied all die Verse heraus genommen, die von der auch noch vorhandenen Wirklichkeit reden. Übrig gelassen – bis auf Herr und Schlacht – praktisch nur das, was lobt, preist und glücklich redet von der Gottesmacht und ihrer Hilfe. Von dem sich bergen und zuhause sein, von dem Ort, an dem man Lernen kann und beschirmt ist. Das Fettgedruckte in der Lutherbibel von früher, was die alten Herausgeber meiner Bibel als das Wichtigste ansahen. Nur das.

Loben, das weiss ich, kann mitreißen. Aber wir können auch stumm bleiben. Beides. Ach, nicht schon wieder vollmundig werden. Ist es für sie eher das? Für mich oft.

In den alten Worten dieses Psalms ist das Lob wie eine zweite Stimme, die tönt. Nicht wie ein Entweder-oder, wie ein Loben oder Klagen, sondern ein Loben im Klagen und ein Loben in allem. Trotz allem. Ein Loben, zu dem man sich findet. In der eigenen Welt. Und so ist dieser Psalm eigentlich voll von Wirklichkeit, die noch ist. An Feindschaft, Verleumdung, an Auseinandersetzung und Verfolgung, an Verlust und Schmerz. Ist alles da, wird alles erlebt. Und zugleich lobt, die da betet.

Gott ist mein Licht und meine Befreiung. Bei Gott will ich bleiben. Im Tempel die Weisheit dieses Gottes studieren. Der betet hat Freude an Gott, in genau diesem Leben. Die beten, aus dem Volk Israel, loben, trotz feindlicher Heere und Schlachten, zugleich und im Jetzt Gott auf ihrer Seite. Und so singt es aus der Bibel, eine Stimme mehr im lobenden Chor. und wir können es singen lassen. Einstimmen, wo uns das richtig scheint. Das Lied trägt uns mit, seien wir skeptisch, stumm oder fragend.

Manchmal so merke ich, und vielleicht kennen sie das auch, stecken sie mich an, die alten Lieder. Dann werde ich im eigenen Leben von meinem eigenen Loben überrascht. Plötzlich tönt der alte Gesang auch in mir. Das hat oft keinen Text. Manchmal lobt es den Alltag. Manchmal danke ich Gott, für das Kleine, was ist. Für den Honig und die Liebe, die Sonne und das Glas Wein, für den Frieden im Gespräch und das Heilen einer Wunde. Ich bin nicht mehr gern so grossmundig, und rede nur selten von der Erfahrung der Befreiung. Aber ich singe mit ihnen.

Und merke – stimmt, die Alten haben ja recht, in allem, trotz allem, im nun und im Jetzt ist Raum für den Lob, der mich erfüllt.

Loben sie auch?

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